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WordPress: Der Anfang des Abstiegs?

TL;DR: 25% des Netzes betreiben ihre Webseiten mit WordPress, die Mehrzahl davon sind kleine Blogs. Diese Blogs werden aufgrund der immer fetter werdenden Software zu anderen, leichteren Systemen wechseln.


Mein Tweet und der dadurch angeregte Artikel von Vladimir hat einige Runden gezogen. Aber wie kam ich zu der Meinung, dass WordPress seinen Zenith überschritten hat? Mit „Zenith“ („peak“) meinte ich die Prozentzahl der damit betriebenen Webseiten. Aber von vorne:

Ich habe WordPress mit der Version 1.5.2 kennen gelernt, als ich auf der Suche nach einem Blogsystem war, das auf einem günstig zu mietenden Server lief. Damals bekam man für 10 Euro noch nicht viel Leitung geboten und so passte WordPress genau zu meinen Anforderungen.

Ich war lange mit WordPress zufrieden. Es bot die Funktionen die ich brauchte, um ein kleines Blog zu betreiben. Es kamen neue Funktionen hinzu, das Interface wurde geändert und die Möglichkeiten von WordPress wurden immer größer. Aber WordPress passte immer noch in mein Anforderungsprofil.

CMS statt Blog

Irgendwann ging der Fokus von WordPress vom reinen Blogsystem hin zu dem Versuch, ein vollwertiges CMS zu bieten, so um die Version 3.3 herum. Dieser Schritt war auch unvermeidlich, denn WordPress hatte sich mittlerweile von einem von Enthusiasten und Idealisten erstellten System zu einem lukrativen Geschäftsmodell entwickelt. Neben Automattic  haben sich viele kleinere und auch größere Firmen auf die Erstellung von „Online-Auftritten“  auf der Grundlage von WordPress spezialisiert und wollen damit Geld verdienen. Die Kunden dieser Firmen wollen kein Blog betreiben, sie wollen ein vollwertiges Produkt, dass sämtliche Aspekte einer aufwendigen Web-Präsentation  anbietet.

WordPress kommt dieser Forderung mit immer neuen Funktionen und Features nach. Da ist WordPress kein Einzelfall, sondern es ist das Problem jeglicher Software, mit der Geld verdient werden soll. Es müssen immer neue Features her, damit die bisherigen Kunden zufrieden sind und neue Kunden gewonnen werden. Ich spreche hier bewusst von „Kunden“ und nicht von „Benutzern“.

Blog statt CMS

Denn die wenigsten Menschen, die sich WordPress selber auf ihrem System installieren, wollen ein vollständiges CMS mit aufwendigen Themes. Sie wollen ein Blog und benutzen WordPress, weil sie „Blog“ und „WordPress“ gleich setzen. Häufig sind sie aber schon in der Basis-Installation mit den Möglichkeiten des Systems überfordert, immer wiederholte Fragen nach „Pages vs. Posts“, „statischen Startseite“ oder zu Plugins zeigen dies.

Was sie eigentlich benötigen ist ein einfaches Blog-System, wie es WordPress bis zur Mitte der 3er-Versionen war. Aufgrund der Übermacht von WordPress hat sich bisher aber kaum ein Entwickler getraut, mit der Gestaltung eines solchen Systems zu beschäftigen. Das wird sich meine Meinung nach allerdings in der nächsten Zeit ändern.

Flat statt Datenbank

Aktuell werden aber „Flat-File-Systeme“ als Lösung vieler Probleme gehandelt. Mit grav lässt sich z.B. zügig ein Blogsystem erstellen, dass genau zwei Dinge kann: Blogbeiträge und Seiten erstellen. Zusätzliche Features lassen sich nachinstallieren, falls man sie haben möchte. Die Installation und Benutzung ist allerdings noch nicht ganz so einfach, wie ich es mir wünschen würde. In der täglichen  Nutzung ist WordPress tatsächlich noch sehr effektiv, wenn man denn die ganzen neuen Gimmicks ignoriert.

Ein „echtes CMS“ statt WordPress

Jetzt kann man natürlich sagen, dass WordPress im kommerziellen Umfeld weiterhin das Netz dominieren wird. Aber: um mir ein System von Fachleuten erstellen zu lassen benötige ich nicht WordPress, sondern die Dienstleister benutzen WordPress, weil sie sich damit auskennen und WordPress-Dienstleister im Vergleich zu anderen CMS-Anbietern günstig zu bekommen sind. Wer günstig ein von anderen aufgesetztes System haben will nimmt WordPress.

Leute mit Erfahrung gehen mittlerweile einen anderen Weg. Als Beispiel möchte ich die bekannte Seite Smashing Magazine nennen, die nach einigen Jahren mit WordPress ihre Seite auf ein API-basiertes System umgestellt haben. Beim Betreiber ist genug Wissen vorhanden, um die Möglichkeiten zu kennen und einzusetzen. Die Entscheidung hieß nicht WordPress. Ob die Abhängigkeit von externen Anbietern die Lösung ist, lasse ich dahin gestellt, ich würde es nicht machen.

Was mache ich jetzt stattdessen?

Ich werde erst einmal bei WordPress bleiben. Ich habe noch einige Ideen für Plugins, wie ich gerne verwirklichen möchte. Aus der Beteiligung an der Core-Entwicklung habe ich mich schon vor einem Jahr zurückgezogen. Meine Frustrationsgrenze ist ziemlich hoch, aber trac entwickelt sich immer mehr zu einem schwarzen Loch.

Aber ich mag auch die Community der alten Männer und möchte diese ungerne missen.

Nebenbei werde ich mir einige Alternativen ansehen und das noch grüne Gras auf der anderen Seite des Zauns mal etwas genauer betrachten.

Fazit

Meine These: WordPress wird längerfristig die prozentuale Vorherrschaft im Netz verlieren, weil die vielen, vielen kleinen Blogs und Webseiten auf andere, leichtgewichtigere Systeme umstellen werden. Die Diversität wird wieder zunehmen und evtl. wird ein neuer Stern am Himmel erleuchten.

Woanders

Bei Caspar habe ich mich zusätzlich über die zunehmende Kommerzialisierung von WordPress ausgelassen.

(Foto von Anne Nygård auf Unsplash)


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